Im Sommer und Herbst begegnen uns Wespen fast überall und meistens treten sie in kleinen Gruppen auf. Doch manchmal sind Wespen auch alleine unterwegs und man fragt sich, ob die Wespe eigentlich kein Nest hat und was dann mit ihr passieren würde. Die Antwort hierauf hängt von einigen interessanten Faktoren ab:
Wespen werden unterteilt in Soziale und Solitäre Wespen, wobei die Sozialen (staatenbildenden) Wespen immer ein klassisches Nest besitzen, ohne das sie nicht überleben können. Solitäre Wespen sind Einzelgänger und besitzen meistens ein kleines Nest, sind auf Grund ihrer Selbstständigkeit von diesem jedoch nicht abhängig.
Hiervon gibt es einige spannende Ausnahmen, denn es gibt sogar Solitäre Wespen, die überhaupt gar kein Nest haben und auch bei den Sozialen Wespen kommt es immer wieder mal vor, dass Einzeltiere plötzlich ohne Nest dastehen.
Warum das so ist und was das für die Wespen bedeutet erklären wir in diesem Artikel!
Wespen ohne Nest: Unterschiedliche Lebensweisen
Wespen stellen eine artenreiche Familie in der Klasse der Insekten dar und kommen in den verschiedensten Varianten vor, die sich auch in der Fortpflanzung und damit dem Nestbau stark unterscheiden.
Grundsätzlich lassen sie sich in SOZIALE WESPEN und SOLITÄRE WESPEN unterteilen.
Dem Menschen begegnen insbesondere die SOZIALEN WESPEN mit ihrer charakteristischen gelb-schwarzen Zeichnung im Sommer und Herbst. Dabei sind sogar nur zwei Arten für den Großteil der Sichtungen bei Picknick & Co verantwortlich (Deutsche Wespe und Gemeine Wespe).
Diese Spezies leben in einem Staat zusammen und bauen Nester an Unterständen und in das Erdreich, die ein beachtliches Ausmaß erreichen und viele tausend Einzeltiere umfassen können. Innerhalb dieser Nester gibt es eine klare Aufgabenverteilung zwischen Königin, Arbeiterinnen und Drohne.
Die Wespenkönigin überlebt allein den Winter und beginnt im Frühjahr mit dem Nestbau. Sobald ausreichend Arbeiterinnen zur Verfügung stehen verlässt sie das Nest nicht mehr und übergibt die Pflege und Nahrungsbeschaffung an ihre zahlreichen Helfer. Ihre Aufgabe bleibt bis an ihr 1-jähriges Lebensende die Ablage von Eiern und Führung des Staates. (Mehr zum Oberhaupt: Wespenkönigin – Leben, Merkmale, richtiger Umgang)
Die Arbeiterinnen sind fortpflanzungsunfähige weibliche Wespen, die den Großteil des Staates bilden und sämtliche Aufgaben (außer der Eiablage) innerhalb der Kolonie übernehmen.
Drohnen sind männliche Wespen, die im Sommer herangezogen werden, um beim Hochzeitsflug die neuen Königinnen zu begatten. Im Anschluss sterben sie und erfüllen keine weiteren Aufgaben.
Je nach Phase im Lebenszyklus des Nestes kann es sein, dass die jeweiligen Kasten ohne Nest dastehen.
Diese klassische Aufgabenverteilung gibt es bei den SOLITÄREN WESPEN nicht. Hier leben die weiblichen Tiere das ganze Jahr allein und sind selbst für die Fortpflanzung verantwortlich.
Die meisten Solitären Wespe bauen dabei ebenfalls ein Nest, um in wenigen Zellen den Nachwuchs aufzuziehen. Diese Konstrukte bestehen häufig aus einer Kombination von Lehm und Speichel und sehen aus wie kleine „Töpfe“. Auch kleine Hohlräume (wie Bohrlöcher), verlassene Insektennester und eigene Aushöhlungen (in morschem Holz) werden gerne genutzt.
Wespen ohne Nest anzutreffen kann sowohl bei den sozialen als auch bei den solitären Wespen auftreten, wobei es bei den staatenbildenden sozialen Wespen eine Ausnahme darstellt.
Doch schauen wir uns das Ganze einmal etwas genauer an.
Wespen ohne Nest: Wann kommt es vor?
Bei den SOZIALEN WESPEN gibt es mehrere Phasen in denen Wespen alleine vorkommen und kein Nest mehr besitzen:
Wespenkönigin ohne Nest
Dies gilt zum Beispiel für die neuen Wespenköniginnen, die sich nach der Begattung in einen Unterschlupf zurückziehen und dort in der Winterstarre auf den Frühling warten. Durch steigende Temperaturen erwachen sie wieder und beginnen mit dem Nestbau. Bis der Staat eine ausreichende Größe erreicht hat sind Wespenköniginnen allein unterwegs und besitzen (noch) kein adäquates Nest.
Drohnen ohne Nest
Bei den Drohnen ist die Phase ohne Nest deutlich kürzer. Nachdem sie sich im Spätsommer auf den Hochzeitsflug begeben haben ist ihre Aufgabe erfüllt und sie werden nicht weiter von dem Staat versorgt. Als „heimatlose“ Wespen leben sie noch ein paar wenige Tage weiter und sterben dann schließlich. In dieser kurzen Zeit sind Drohnen ohne Nest unterwegs.
Arbeiterinnen ohne Nest
Der Staat der sozialen Wespen besteht zum Großteil aus den Arbeiterinnen, die einen engen Bezug zum Nest haben und von diesem abhängig sind. Sie haben über die gesamte Saison einen engen Kontakt zum Nest und sind erst im Spätsommer / Herbst alleine antreffbar.
Sobald die alte Königin ihre Aufgabe nicht mehr wahrnimmt, stirbt der Staat langsam aus. Während die Arbeiterinnen zunächst noch versuchen die Kolonie so lange wie möglich aufrecht zu erhalten, wird diese Aufgabe mit der Zeit unmöglich und die Tiere verlassen schließlich das Nest und sind auf sich gestellt.
Bei den SOLITÄREN WESPEN gibt es verschiedene Gattungen, die einen jeweils anderen Umgang mit dem Nest haben.
Grundsätzlich besitzen aber auch (fast) alle Einzelgänger ein Nest. Dieses nutzen sie, um die Eier abzulegen und den Nachwuchs aufzuziehen. Die Form und Größe dieser Nester variiert dabei stark und reicht von eigenen kleinen getöpferten Lehmnestern bis zu ausgenagten Löchern in morschem Holz. Die Größe ist dabei nicht vergleichbar mit den riesigen Papiernestern der Sozialen Wespen und umfasst in der Regel nur wenige Zellen.
Solitäre Wespen sind nicht abhängig von ihren Nestern, um zu überleben. Es wird lediglich die Fortpflanzung sichergestellt. Sollte der Bau zerstört werden, würden die Wespen einfach einen neuen anlegen und von vorne beginnen.
Solitäre Wespen ohne Nest sind normal
Neben diesen Nestbauern gibt es bei den Einzelgängern auch die Parasitären Wespen, die gar kein Nest haben. Diese nutzen dann andere Insekten, um mit einem speziellen Legestachel ihre Eier einzupflanzen. Die Larve ernährt sich von dem Wirt und schlüpft schließlich aus diesem heraus (was seinen Tod bedeutet).
Können Wespen ohne Nest überleben?
Das Überleben einer Wespe ohne Nest hängt von der Wespenart (Soziale oder Solitäre Wespe) und von der jeweiligen Phase ab, in der kein Nest (mehr) vorhanden ist. Bei Sozialen Wespen bedeutet der Nestverlust (meistens) den Tod, während Solitäre Wespen nicht beeinträchtigt sind.
Bei den SOZIALEN WESPEN ist die Wespenkönigin ein Großteil ihres 1-jährigen Lebens auf sich gestellt und überlebt ohne Nest. Dies endet erst, wenn das Nest eine ausreichende Größe erreicht hat und die Arbeiterinnen die Versorgung übernehmen. Die Königin verlässt dann nicht mehr das Nest, die Flügel degenerieren mitunter und sie ist dann nicht mehr flugfähig. In dieser Zeit ist sie vom Nest abhängig.
Drohnen (männliche Wespen) sind immer von der Versorgung des Nests abhängig und können ohne dieses nicht überleben. Nach der Begattung der neuen Königinnen werden sie vom Nest nicht mehr unterstützt und sterben in kurzer Zeit.
Arbeiterinnen sind der Kernbestandteil eines Nestes und haben verschiedene Aufgaben. Grundsätzlich sind sie zwar in der Lage Nahrung zu suchen und aufzunehmen, aber auch sie überleben nicht lange ohne Nest. Dies liegt an dem mangelnden Schutz, fehlender Sozialität und schließlich an der eingeschränkten Selbstversorgung.
SOLITÄRE WESPEN nutzen Nester zur Eiablage und für die Brut, sind jedoch nicht individuell von diesen abhängig und können problemlos auch ohne Nest überleben. Sie sind in der Lage sich ausreichend Wasser und Nahrung zu besorgen und haben ausgeprägte Überlebensmechanismen (Aufsuchen von Unterschlupf, Verteidigung etc.).
Welche Wespen haben kein Nest?
Soziale Wespen haben immer und Solitäre fast immer ein Nest, wobei das Einzelgänger-Nest nur aus wenigen Zellen besteht. Kein Nest haben Parasitäre Wespen die zur Eiablage einen Wirt suchen.
Hierzu verwenden sie einen meist deutlich ausgeprägten Legestachel, mit dem sie in den Wirt eindringen und die Eier platzieren. Der Wirt dient nun als eine Art Nest und liefert einen gewissen Schutz und ausreichend Nahrung bis zum Schlupf.
Solche Wespen kommen in der Natur regelmäßig vor, werden aber auch gerne als effektive Schädlingsbekämpfer eingesetzt. Dies geschieht in erster Linie in der Landwirtschaft, kann aber auch in privaten Haushalten (insbesondere bei Kleidermotten) einfach und kostengünstig genutzt werden (zur Anwendung von Schlupfwespen: Kleidermotten wirksam bekämpfen).
Sind Wespen ohne Nest gefährlich?
Wespen, die ihr Nest verloren haben können mitunter aggressiver sein, da ihr Überlebensdruck steigt und sie nun drängender auf Nahrungssuche sind.
Dies ist insbesondere im Herbst der Fall, wenn die alten Königinnen der Sozialen Wespen absterben und das Nest nicht weiterbestehen kann. Nun sind die Arbeiterinnen auf sich gestellt und treten noch mehr mit uns in Kontakt (um Nahrung zu finden).
Solitäre Wespen die kein Nest (mehr) haben sind in ihrem Verhalten nicht aggressiver als vorher und haben nur wenig Kontakt zum Menschen. Sie sind daher weiterhin nicht gefährlich.